Tod

Auch wenn schon so viele von einem gegangen sind: Der Tod ist immer wieder so unfassbar und wird es vermutlich auch bleiben. Das geht mir mit dem Tod meines Vaters auch immer noch so. Er ist vor gut sechs Jahren gestorben. Meine Familie und ich haben zusammen versucht, immer einen Schritt vor den anderen zu setzen und den Blick für das Schöne auf der Welt nicht zu verlieren. Wir sind so dankbar, dass wir diesen gegenseitigen liebevollen Halt erfahren dürfen und unsere Gedanken und Gefühle teilen können. Schön, wenn Menschen da sind, mit denen man sich jederzeit austauschen kann; das Gefühl, nicht allein zu sein.

Allein sind wir auf keinen Fall: Der Tod betrifft uns alle – auch wenn wir als Gesellschaft gerne kollektiv versuchen, ihn zu verdrängen. Ist jemand gestorben, lassen Angehörige den Körper oft schnell abholen. Vielleicht ist es aber besser, ihn noch eine Weile im Haus zu lassen und in Ruhe Abschied zu nehmen.

Der Tod ist so unbegreiflich, wie soll ich damit umgehen? Es muss wahrscheinlich jeder seinen eigenen Weg finden, aber mir hat bei meinem Vater der Gedanke geholfen, dass Energie nicht verloren geht. Der Körper ist irgendwann verbraucht, der Geist sucht sich eine neue Form. Ich habe mir vorgestellt, mein Vater ist auf einer Reise. In der Wohnung habe ich ein Foto von ihm auf dem Altar und im Flur. Ich denke viel an ihn, grüße ihn, sage ihm guten Morgen und gute Nacht. In Gedanken und im Herzen lebt er weiter.

Ich glaube, es ist generell wichtig, nicht zu passiv zu sein. Mir hilft ein Ritual, das im Moment bei mir so aussieht: Nach dem Aufstehen begrüße ich vor dem Altar unterschiedliche Wesen, lebende und verstorbene und wünsche ihnen einen schönen Tag.
Anschließend spreche ich folgende Worte:

„Liebe Wesen, es tut mir leid, dass ich schlechte Gedanken gehabt habe, schlechte Worte gesprochen habe und schlechte Taten begangen habe.
Bitte verzeiht mir.
Ich bereue es sehr.“

Dann wünsche ich den Wesen mit diesen Worten Glück:

„Möge es allen Wesen gut gehen, wo auch immer sie jetzt sind.
Ich liebe alle Wesen sehr.
Mögen alle Wesen lange leben.
Mögen alle Wesen frei sein von Leid und mögen alle Wesen frei sein von den Ursachen für Leid.
Ich wünsche allen Wesen viel Kraft.
Mögen alle Wesen vollkommenes Glück erlangen in ihrer jetzigen Existenz.

Om a ra pa ca na dhi, om a ra pa ca na dhi, om a ra pa ca na dhi (Anmerkung: Manjushris Mantra).

Om a hum, om a hum, om a hum (Anmerkung: Mantra für Körper, Rede und Geist).

Om muni muni maha muni svaha, om muni muni maha muni svaha, om muni muni maha muni svaha (Anmerkung: Shakyamunis Mantra).“

Nun denke ich an diejenigen, die im Moment nicht gesund sind und hoffe, dass es ihnen schnell wieder gut geht. Ich erwähne Verwandte und Freunde mit Namen und beziehe auch andere Wesen mit ein:

„Möge es (hier Name einfügen) schnell wieder gut gehen.
Möge (hier Name einfügen) schnell wieder gesund sein.

Mögen es allen Wesen, denen es nicht gut geht, schnell wieder gut gehen.
Mögen alle Wesen, die nicht gesund sind, schnell wieder gesund sein.“

Anschließend bedanke ich mich für die guten Dinge auf der Welt:

„Liebe Wesen, ganz herzlichen Dank für alles Gute auf der Welt!“

Es folgt mein Ritual für Verstorbene, die sich sieben mal sieben Tage (49 Tage), also sieben Wochen, im Bardo befinden. Den Anfang macht ein Gebet, das in diesem Video rezitiert wird:

„Lieber (hier Name einfügen), Dein Körper ist jetzt tot, deswegen kann Dir nichts mehr schaden.
Alles, was Du erfährst, ist wie ein Traum.

Wenn Du Deine Zuflucht nimmst zu Gott, beziehungsweise zu den Erleuchteten und Heiligen und in Frieden bleibst, kannst Du vom Leid befreit werden.

Der Geist, der die Ursache ist von allen Erfahrungen und Erscheinungen, stirbt nicht.

Wenn Du den Geist selber jetzt zur Ruhe bringst und Dein Denken, kannst Du den ewigen Frieden und die ewige Befreiung verwirklichen.“

Ich spreche Avalokiteśvaras Mantra: „Om mani padme hum“ (mit Mala). Ich stelle mir dabei vor, dass von Avalokiteśvaras Herz aus Licht strömt und sich mit dem Herzen des Verstorbenen verbindet.

Außerdem rezitiere ich Shakyamunis Mantra: „Om muni muni maha muni svaha“ (mit Mala). Auch hier stelle ich mir wieder vor, dass sich die beiden Herzen verbinden.

Nun sage ich folgende Zeilen:

„Lieber (hier Name einfügen), ganz herzlichen dank dafür, dass Du uns mit Deiner Anwesenheit so reichlich beschenkt hast!
Möge es Dir gut gehen, wo auch immer Du jetzt bist.
Ich liebe Dich sehr.
Mögest Du frei sein von Leid und mögest Du frei sein von den Ursachen für Leid.
Ich wünsche Dir viel Kraft.
Mögest Du vollkommenes Glück erlangen in Deiner jetzigen Existenz.

Möge es allen Wesen gut gehen, wo auch immer sie jetzt sind.
Ich liebe alle Wesen sehr.
Mögen alle Wesen lange leben.
Mögen alle Wesen frei sein von Leid und mögen alle Wesen frei sein von den Ursachen für Leid.
Ich wünsche allen Wesen viel Kraft.
Mögen alle Wesen vollkommenes Glück erlangen in ihrer jetzigen Existenz.

Om a ra pa ca na dhi, om a ra pa ca na dhi, om a ra pa ca na dhi.

Om a hum, om a hum, om a hum.

Om muni muni maha muni svaha, om muni muni maha muni svaha, om muni muni maha muni svaha.“

Jetzt mache ich eine Meditation zur Leerheit. Ich komme in den Moment, achte auf den Körper, zum Beispiel wo er den Boden berührt oder spüre wie sich die Bauchdecke hebt und senkt. Ich atme tief in den Bauch ein und wieder aus und zähle die Atemzüge bis 9. Ich stelle mir vor, dass alles ein Wald ist. Es gibt nichts zu tun in diesem Wald, ich bin einfach nur von dem Wald umgeben. Niemand sonst ist dort. Nichts ist bedrohlich. Ich hafte dort nichts an, nichts gehört mir dort und ich muss mich dort auch um nichts kümmern. Das ist für mich beruhigend und hat mir schon oft bei unterschiedlichen Dingen geholfen, ursprünglich bei Liebeskummer. Anschließend atme ich wieder neunmal und stelle ich mir vor, dass alles Erde ist und danach atme ich wieder neunmal und stelle mir vor, dass alles nichts ist, also ein leerer Raum, wie im Buch Kernholz des Bodhibaums ab Seite 108 beschrieben.

Danach widme ich meine Bemühungen den Wesen:

„Mögen durch die Kraft dieser Bemühungen allen Wesen Glück beschieden sein.“

Abends wünsche ich den Wesen eine gute Nacht, bedanke ich mich für die guten Dinge auf der Welt und widme meine Bemühungen wieder den Wesen.

Über den Tod nachzudenken bringt die wichtige Erkenntnis: Jeder Tag, jeder Moment kann der letzte sein und ist es irgendwann auch. Wenn ich jemandem etwas sagen möchte, sollte ich es jetzt tun; wenn ich jemanden umarmen möchte, sollte ich es jetzt tun. Jeder Moment ist ein Geschenk, kostbarer als alle Schätze dieser Welt. Nutze den Moment. Versuche immer wieder, aus jedem Tag, aus jedem Moment das Beste zu machen.

Zuletzt aktualisiert am 16. März 2024 von Till Kraemer

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